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TOY

STORIES

2010 - 2013

Dass ich die erste Aufnahme zu TOY STORIES gemacht habe, liegt nun mehr als zwei Jahre zurück. Über Monate habe ich Spielsachen von Freunden und Bekannten gesammelt, fotografiert und wieder zurück gegeben. Die Spielsachen mussten ihre Zeit überlebt haben, sie durften zwar noch existieren, aber nicht mehr in Gebrauch sein. Mein Ziel war es (und ist es), ein Abbild der Individualität als absolute Größe ausfindig zu machen. Ich habe mich daher entschlossen, einen nicht ganz beliebigen Anfangspunkt und einen vorläufigen Endpunkt aus der Biographie eines Menschen heraus zu nehmen, um aus der Verbindung der entgegen gesetzten Zeitpunkte einen Ansatz für Individualität zu filtern. Die Verbindung aus der Abbildung eines Spielzeuges, das in frühester Kindheit geliebt wurde, mit dem im Bildtitel genannten Beruf der jeweiligen Person, sollte und soll zu jenem roten Faden führen, der sich durch ihr Leben zieht und in dem ich Individualität zu erkennen glaube.

Ein halbes Jahr später, im Hochsommer 2011, habe ich einen zweiten Anlauf unternommen. Ich dachte mir, dass, wenn es mir schon nicht möglich sei, eine wertfreie Darstellung der Spielsachen zu erreichen, ich vielleicht den umgekehrten Weg gehen sollte und statt eine objektive Darstellung anzustreben, offen mit der Inszenierung spielen sollte. Das Ergebnis war auf den ersten Blick durchaus ansprechend. Doch ungefähr zur selben Zeit fand eine Ausstellung statt, die sich mit den Dingen des Alltags auseinander setzte: lauter alltägliche Gegenstände in wunderschönen Fotografien objektiv und edel dokumentiert.

In dem Moment war mir klar, dass auch mein zweiter Ansatz zu keinem mir adäquat erscheinendem Ergebnis führen würde und ich daher wohl nie der Individualität als Absolutem auf die Schliche kommen würde. Das Projekt war so gut wie gestorben. Die vorerst letzten Bilder wurden von mir zu der Werkgruppe WILDE KERLE zusammengefasst und von der Idee, die reine Individualität in einem Bild zu bannen, war ich weiter denn je abgerückt.

Das Ganze betrachte ich als eine Art Experiment, als ein Experiment auf der Suche nach der Individualität. Und wie jedes Experiment weist auch die Arbeit TOY STORIES eine geschlossene Versuchsanordnung auf. In der ersten Anordnung, EINST GELIEBT (Oktober 2010 bis März 2011), war ich der Überzeugung, dass bereits ein neutraler Hintergrund und eine gleichmäßige Lichtführung zu einer maximal nüchternen und daher per se wertfreien Darstellung führen würde. In der Nüchternheit habe ich eine Objektivität zu finden erhofft, die für das Gelingen des Experiments von grundlegender Bedeutung ist. Aber als die Arbeit weitgehend abgeschlossen war, musste ich erkennen, dass es mir trotz allem nicht möglich gewesen ist, die Spielsachen wertfrei darzustellen. Gleichgültig wie man etwas hinstellt oder legt, mit jeder Verschiebung der Einstellung, mit jeder Drehung des Gegenstandes verändert sich der Ausdruck. Zudem schlich sich eine gewisse Lust am Interpretieren in meine Arbeit ein, die sich aufgrund meines Vorwissens über die jeweilige Person ergab. Das Experiment der Suche nach der Individualität als absolute Größe war offensichtlich gescheitert.

In einem vollkommen anderem Zusammenhang kam mir Mitte des Jahres 2012 ein Kunstwerk, eine Fotografie, von Christopher Williams unter. Auf der Fotografie sind geschichtete Maiskolben zu sehen, die zur maximal getreuen Darstellung nicht nur im Studio fotografiert wurden, sondern über denen zudem ein Farbkeil angebracht ist, damit die Maiskolben in späteren Reproduktionen farbecht wiedergegeben werden können. Das Erstaunlich an dieser Fotografie (nicht an dem Kunstwerk) ist, dass die Maiskolben unecht aussehen (obwohl sie es wahrscheinlich nicht sind), während der Farbkeil (ein vollkommen unechtes und rein theoretisches Produkt) unter dem Deckmantel einer absoluten Größe auf die Wirklichkeit verweist und unabhängig von jeglichem Bezug bestimmt, was Realität ist. Diese Fotografie beinhaltet also ein Moment, das für mich bereits in einer früheren Arbeit, APPROXIMATION (2011-2012), wichtig war: konstruierte Realität als Referenz für Wirklichkeit.

Auf einmal war mir klar, dass ich das Wesen der Individualität nur dadurch zum Ausdruck bringen konnte, indem ich dem Bild etwas hinzufüge, das sich im weitesten Sinne als wissenschaftlicher Parameter zu erkennen gibt, eine objektive Konstante, anhand derer sich Individualität in ihrer Singularität als Gegenpol zu kontrastieren vermag. Denn unabhängig von der spezifischen Ausstrahlung eines jeden Spielzeuges verweist der Farbkeil mit seiner Objektivität auf meine Intention, die Individualität als absolute Größe darzustellen.

ARAT

ALESCHABIRKENHOLZ

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